iOverlander – Fluch und Segen zugleich

Mai 2019 ein Kommentar von Micha und Meiky

 

Es gibt einige Apps, die das Reisen über Land vereinfachen sollen, wie zum Beispiel „iOverlander“, auf die wir gerne einmal näher eingehen möchten. Es handelt sich um eine kostenfreie App, die von Überlandreisenden mit LKW, Auto, Motorrad- sowie von Fahrradfahrern selbst aktualisiert werden kann. Sie ist ohne Registrierung nutzbar. Möchte man jedoch selbst etwas hinzufügen oder aktualisieren, muss man sich registrieren. An vermeintlich wichtigen Punkten auf der Landkarte kann man sodann in der App ein Icon setzen.

Die App basiert auf einer Karte von Google-Maps, auf der die User mehr oder weniger hilfreiche Informationen anhand der gesetzten Icons erhalten oder markieren können. Es ist möglich folgende Informationen mit einem kurzen Text und Foto hinzu zu fügen oder bereits vorhandene zu aktualisieren: Tankstellen, Gas, Werkstätten, Campingplätze, Wildcampingplätze, Krankenhäuser, Sehenswürdigkeiten, Warnungen etc. Für diese Plätze sind Koordinaten vermerkt, so, dass jeder mit Hilfe eines Navis/GPS auch hinfinden kann.

Die App hat viele Vorteile: man kann beispielsweise englischsprachige Krankenhäuser markieren oder Orte, an denen eine Gefahr droht. So haben auch wir in Russland den Ort Dargavs markiert, an dem wir festgenommen wurden, um somit andere Reisende zu warnen.

Die Sprache der App ist Englisch und die Erfahrungsberichte müssen auch auf Englisch verfasst werden. Ab und zu findet man aber auch Beschreibungen auf Französisch. Schade, dass offenbar nicht alle User die Richtlinien lesen.

Das Land ist kaum noch zu erkennen, es ist Equador!
Das Land ist kaum noch zu erkennen, es ist Equador!

Warum manche allerdings Wasserstellen in wasserreichen Gebieten markieren, ist uns ein Rätsel, da es in vielen Ländern überall Wasser oder Brunnen gibt. Genauso wenig macht es auch Sinn, Tankstellen in Ländern wie Usbekistan oder im Iran zu markieren, die Diesel führen: das kann sich täglich ändern!

 

Die Idee dieser App ist super!

Anhand dieser Informationen fahren mittlerweile sehr viele mit dem Fahrzeug fast vollkommen uniformiert von A nach B. Es macht das „overlanden“ deutlich einfacher und stressfreier, weil alles schon vorgekaut ist. Es gibt fast keinen Fleck mehr auf der Welt, der nicht mit iOverlander Icons "zugepflastert" ist. Manchmal sogar so stark, das man auf der Karte das Land kaum mehr erkennen kann.

 

Und damit sind wir auch schon bei den Nachteilen:

Nutzer, die ständig auf iOverlander zurückgreifen werden schnell faul und richten sich scheinbar nur noch nach dieser App. Wir haben sehr viele Overlander getroffen, bei denen man schnell das Gefühl entwickelte, dass sie ohne die App total aufgeschmissen wären. Eigenen Schlafplatz suchen? Hä? Da gibt’s doch sicher einen bei iOverlander. Da kann man sich ja eigentlich auch fast gleich den geführten Seabridge Touren anschließen.

iOverlander macht das Überlandreisen so einfach, dass es sich teils auch Leute zutrauen, die besser zuhause geblieben wären. Klingt gemein, aber selbst kopfschüttelnd oft erlebt: Carnet de Passage für den Iran? Echt jetzt? Tja, stand wohl nicht im iOverlander, dass man das braucht. Oder wie ein anderes Overlanderpärchen es formulierte: Neuerdings sind viele Möchtegern Overlander unterwegs.

Abenteurer und Entdecker sind wir im heutigen Zeitalter schon lange nicht mehr, das ist vollkommen klar. Aber warum folgen so viele Nutzer den Wegen anderen Reisenden von Übernachtungsplatz zu Übernachtungsplatz und beschreiben sich in ihren Instagramprofilen trotzdem als "off the beaten path"? Sie sitzen morgens im Fahrzeug und haben bereits die Koordinaten vom nächsten iOverlander Übernachtungspunkt ins Navi eingegeben und planen ihre Route hauptsächlich nach der App. Schade! Aber was ist der Grund? Bequemlichkeit oder die Angst ins Ungewisse zu fahren? Man hat den Eindruck, bei ihnen dreht sich alles um iOverlander und sollen wir euch was sagen: wir finden, sie verpassen ziemlich viel... Sie folgen im Grunde nur Anderen, stellen sich auf Plätze von Anderen und fahren nicht ihre eigene Route.

 

Wir greifen ebenfalls teilweise auf die App zurück. Wie bereits beschrieben, beleuchten wir hier Vor- und Nachteile. Die Informationen bei Grenzübertritten sind oft sehr hilfreich, (sofern die Leute vermerken aus welcher Richtung sie gekommen sind) und beugen vor, dass man übers Ohr gehauen wird. Auch bei Zahlungen für Versicherungen, Ökotax etc. ist das der Fall. Somit dient die App auch der Vorbeugung von Korruption, was wir sehr gut finden. Wir haben durch die App natürlich auch Stellplätze gefunden, die wir aus eigenen Zügen nie angesteuert hätten. Wie gesagt, es macht die Stellplatzsuche sehr einfach, stressfrei und es besteht die Gefahr schnell faul zu werden, selbst einen sichern Platz zu suchen. Aber wo bleibt der Entdeckergeist? Wie oft tut man sich in manchen Ländern (.z.B. in Südamerika) schwer, einen geeigneten, versteckten Stellplatz für die Nacht zu finden. Fährt zahlreiche Orte ab, landet in Sackgassen, bleibt im Matsch stecken, etc. nur um einen sicheren Schlafplatz zu finden. Das macht doch auch diese Art des Reisens aus! So haben wir das „overlanden“ kennengelernt – ohne „iOverlander“ und auch ohne facebook Gruppen, die seit 2014 aus dem Boden schießen. Hier fragen Leute zum Teil Dinge, an denen man geradezu merkt, dass sie zu faul sind ihre Frage kurz selbst zu googlen, von einer kleinen, einfachen Recherche mal ganz zu schweigen. Das wäre aber wieder ein eigenes Thema.

Zurück zu den Grenzen: in den Markerierungen gibt es dort sinnvollerweise auch oft Infos, dass Schmiergelder (für Kraftstoff beispielsweise) eingefordert werden und dann hört man aber, dass die Leute es trotzdem zahlen, obwohl sie genau wissen, dass es sich um hier Korruption handelt. Nur um selbst mit einem schnellen Grenzübertritt fein raus zu sein. Aber auf das Thema Korruption sind wir ja schon oft genug eingegangen…

 

Und wenn man sich fragt, aus welchem Grund die Weltkarte seit neuestem übersäht von iOverlander Icons ist: Hier ein paar Beispiele von sinnlosen Posts, die es eigentlich doch gar nicht braucht:

„Pass im Winter nicht befahrbar“. Man sollte meinen der logische Menschverstand sagt mir, wenn ich mich zu winterlichen Zeiten auf über 2000 Meter befinde, kann es vorkommen, dass Pässe eingeschränkt oder gar nicht befahrbar sein könnten. Generell sind Beschreibungen, die ihren Bezug zur Jahreszeit haben nicht sehr sinnig: dass es im August Mosquitos im Wolga Delta gibt, dazu brauche ich keine App. Auch nicht um herauszufinden, dass zur Regenzeit Straßen überschwemmt und matschig sein könnten. Sowas hält manche Leute doch nur davon ab, bestimmte Straßen zu fahren, ohne eigentlich zu wissen, wie es nach derzeitigem Stand überhaupt dort ist. Und sollte man einmal wirklich nicht vorankommen, ist es eben so. So ist das Reiseleben, man kann ja immer noch umdrehen. Unser größter Umweg war bis jetzt eine Strecke von 600 Kilometern weil eine Grenze nicht passierbar war.

Bei überfluteter Straße geht es ab auf´s Boot
Bei überfluteter Straße geht es ab auf´s Boot

Oder auch super: Achtung! „Scary Bridge“! Es soll ja Leute geben, die gefühlt jede Brücke in Zentralasien als „scary bridge“ eintragen (zum Glück hat iOverlander schon welche davon entfernt). In Tadschikistan ist quasi fast jede Brücke auf die ein oder andere Weise „scary“. Wo kämen wir da hin, wenn jeder seine persönlichen Phobien markieren würde: z.B. „Achtung! Hohes Minarett in Xiva, Usbekistan, - Nichts für Leute mit Höhenangst“. Oder tatsächlich auch gelesen: „Vorsicht hier schleicht sich die giftige xy (Name ist uns entfallen) Natter herum“ Nach Check im Internet: die xy Natter GAB es in dem besagten Land gar nicht.

Und zurück zu den Brücken, wenn keine da ist, muss man durch den Fluss und ist der Wasserstand zu hoch muss man warten. Bleibt der Wasserstand zu hoch lassen sich die erfinderischen Einheimischen schon irgendetwas einfallen weil sie die Verbindungstraßen ebenfalls nutzen. Es werden Behelfsbrücken gebaut oder der Verkehr wird auf Fähren umgefrachtet. Selbst so erlebt in Bolivien und in Usbekistan.

Auch ist es kontraproduktiv alle möglichen Werkstätten einzutragen. Es würde doch mehr Sinn machen, nur diejenigen zu markieren, die auf spezifische Fahrzeuge spezialisiert sind.

Für einen Reisenden suchten wir eine bestimmte Land Rover Werkstatt in Quito, bei der wir damals in Südamerika 2012/2013 auch halt machen mussten und waren entsetzt über die Unsummen an Werkstatt Icons. Sehen denn die Eintragenden nicht, dass es schon ausreichend Werkstattmarkierungen gibt? Nein, da muss jeder selbst noch eine drauf setzen. Da braucht man ja länger alle Berichte durchzulesen, als selbst eine Werkstatt vor Ort zu finden. Dabei ist es in Südamerika ohnehin recht einfach. Jede Ein- und Ausfahrtsstraße in den Städten bietet eine Vielzahl von Werkstätten. Ein nettes Beispiel ist auch die Carretera Austral (Ruta 7) in Chile. Die etwa 1300 Kilometer lange Straße ist ein einziger Wildcampingplatz, aber jeder muss trotzdem alle 250 Meter weiter seinen eigenen Campingplatz/Revier markieren. Macht das Sinn? Dieses Verhalten erinnert uns eher an Hunde.

Die Nutzer schreiben auch viele persönliche Befindlichkeiten und Vermutungen rein. z.B. bei einer Sehenswürdigkeit im Iran: man könne alles von der Straße aus sehen und könnte sich darum den Eintrittspreis direkt sparen, was einfach nicht der Wahrheit entsprach. Aber klar, konnte derjenige ja auch nicht wissen: er war ja nicht drin. Und manch iOverlander-gläubiger-Reisender wird dann durch solch einen Kommentar auch vom Besuch abgehalten.

Und welche Relevanz sollen persönliche Meinungen über Sehenswürdigkeiten haben? Man macht doch am liebsten seine eigenen Erfahrungen und wir fahren damit auch am besten. Klar fällt man auch mal auf die Nase, aber dann ist man auch um eine Erfahrung reicher geworden.

Und zu guter Letzt schalten manche Leute auch gänzlich ihr Hirn ab: so ein in facebook gefundener Post in einer der zahlreichen oben bereits genannten Overlander Gruppen:

Wie könnte man sich am besten die Iguazu Wasserfälle anschauen, er hätte dazu keine Info im iOverlander gefunden. (*Augenroll*) Ohne Worte sowas: A - kauf Dir einen Reiseführer oder B - fahr selbst hin und informiere dich. Kann nicht so schwer sein, bei der Anzahl an Touristen und Reisenden die dort jeden Tag auflaufen. Das ist dann wohl, was man digitale Demenz nennt.

 

Viele Reisende haben schon die ganze Welt ohne Apps und ohne Facebook bereist und sind trotzdem am Ziel angekommen. Wir haben es in Südamerika 2012 und 2013 auch geschafft. Ja, manchmal haben wir uns schwer getan sichere Übernachtungsplätze zu finden und haben daraufhin bestimmt fünf Mal vor oder im Hof der Polizei übernachtet, oder vor der Feuerwehr. Aber dafür hat man hinterher auch mehr zu erzählen.

Für uns ist die beste Vorbereitung einer Reise noch immer die haptische Nutzung von Landkarten, Reiseführern und das Lesen anderer Reisblogs. Selbstverständlich greifen wir für die Navigation auf unser Garmin Navi und auf die App MapsMe zurück. Die Kombination aus Landkarten, um sich einen Überblick zu verschaffen und digitalen Navigations-Apps, Navis etc. ist für uns die beste Variante, um unsere Routen zu planen.

 

Falls sich jemand angesprochen fühlen sollte: Legt doch mal das Telefon beiseite und sucht eure eigenen Plätze und macht eure eigenen Erfahrungen. Es ist nicht schwer, klar kann es mal nervig sein, wenn man zum dritten Mal einem Weg ins Ungewisse folgt, der sich als Sackgasse erweist, aber so ist es halt, das Reisen mit dem eigenen Fahrzeug. Es ist echt schade, dass einige ohne diese App wohl aufgeschmissen wären oder dadurch leider faul werden.

 

Und noch eine Sache, die wichtig ist. Leute, die uns Reisenden was Böses tun möchten, sind nicht blöd und können diese App ebenfalls benutzen und sehen dann auch die „top-hidden-secret-Übernachtunsspots“. In Zentral Asien würden wir uns da weniger Sorgen machen, aber in Teilen Südamerikas wären wir da sehr vorsichtig. Denkt mal drüber nach!

 

Das Reisen ins Ungewisse und das Einstellen auf neue, ungeahnte Situationen ist doch,

was so eine Langzeitreise über Land ausmacht,

oder nicht? - Dies ist unsere subjektive Meinung!



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