Irak – Spannungen, Moscheen und Militäreskorten

23.04.2023 von Meiky

Vor über zehn Jahren, genauer am 18.12.2011, zogen die Besatzungstruppen aus dem Irak ab. Die Lage blieb danach weiterhin angespannt. Ab 2014 wurden dann die Terrorzellen des sogenannten „Islamischen Staats“ im Nordwesten des Landes größer und stärker. Während dieser Zeit nahm der IS die zwei Millionen Metropole Mossul ein. Seit der Schlacht um Mossul im Juli 2017, gilt der IS als besiegt und zurückgedrängt. Auch offizielle Angaben bestätigen den zurück gedrängten IS. Unterhält man sich jedoch mit dem Militär, so erfährt man, dass der IS immer noch präsent ist.

Eigentlich müsste man vom „Daesch“ sprechen und nicht vom IS. Mit dem Begriff Daesch vermeidet, (zum Beispiel auch  Politiker) man, die Bezeichnung "IS im Irak und der Levante" zu verwenden, da sich die Terororganisation den Namen ISIS selbst gegeben hat. Man weist damit den Anspruch zurück, den die islamistischen Fundamentalisten selbst erheben: Das Staatsgebilde zu sein, in dem alle Muslime weltweit auf die einzige Weise leben, die wahrhaft islamisch sein soll.

Seine Anhänger verstecken sich in kleinen Höhlen in der irakischen Wüste, nahe der syrischen Grenze. Von Zeit zu Zeit kommt es zu Feuergefechten mit dem irakischen Militär. Will man den Einheimischen Glauben schenken, so wird der IS angeblich mit Waffen aus den USA versorgt…

Die Lage ist und bleibt volatil. Man muss weiterhin mit bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen terroristischen Gruppierungen und Sicherheitskräften rechnen. Dazu besteht die Gefahr von Terroranschlägen.

Die Region Kurdistan ist ein defacto Staat und ein autonomes Gebiet im Norden des Irak. Kurdistan besitzt ein eigenständiges Parlament mit Sitz in Erbil und unterhält eigene Militäreinheiten, die Peschmerga.

Das Auswärtige Amt empfiehlt ein professionelles Sicherheitskonzept, um Gebiete mit Reisewarnung zu bereisen. Mein professionelles Sicherheitskonzept besteht – auch ohne Reisewarnung -immer aus der Devise: „talk with locals“. Bereits an der Grenze fragte ich das Militär, welche Gebiete gefahrlos befahrbar seien und welche Gebiete es zu vermeiden gilt. Zwar wird einem dann gesagt „Iraq is save“, geht man aber ins Detail, wird doch von einigen Straßen abgeraten. Ich habe mich im Land aber nie unsicher gefühlt. Unwohl wurde es mir nur bei einem Checkpoint, an dem ich drei Stunden auf eine Genehmigung warten musste: Das Militär ist eben Zielgruppe Nummer Eins, wenn es um Angriffe geht. Darum wollte ich auch nie eskortiert werden und mich lieber von militärischen Einrichtungen fernhalten.

Das Militär

Noch in keinem einzigen Land habe ich so nettes und angenehmes Militär angetroffen. Ausnahmslos waren alle super nett. Ich musste Selfies machen und konnte Fotos, sowohl von den Stützpunkten, als auch von den Fahrzeugen, machen. Ich durfte mich in die gepanzerten Fahrzeuge setzten und auf die Wachtürme der Stützpunkte gehen. Hatte man eine Eskorte, fuhr immer ein Fahrzeug mit drei Personen voraus. Einer davon stand mittig am geladenen Maschinengewehr. Insgesamt waren es mehr als 30 Checkpoints im gesamten Land. Bis auf eine Ausnahme musste ich immer meinen Pass abgeben. Bis ich wieder weiterfahren durfte, dauerte es mindestens fünf Minuten. Die Passdaten wurden notiert, jedes Mal kurz ins Fahrzeug geschaut. Das geschah wahrscheinlich aus Neugier. Durchsucht wurde das Fahrzeug nie, auch nicht bei den Grenzen. Nur ein einziges Mal wurde ich durchgewunken.

 

An einem Checkpoint vor Mossul teilte mir ein Soldat sehr freundlich mit: „Wenn du Probleme hast, du Hilfe brauchst oder was nicht stimmt, kommst du sofort wieder zurück zum Stützpunkt. Ich bin für dich da, um dich zu beschützen. Hier wird dir nichts passieren“. Krass, ich freute mich, bedankte mich vielmals für das tolle Angebot, die tollen Worte und dass sich das Militär so sehr um mich sorgt. Die Nacht verbrachte ich alleine hinter Mossul, an einem Stausee. Zuvor fragte ich natürlich die örtlichen Fischer, ob man hier für eine Nacht stehen bleiben darf.

Visa

Gegen eine Gebühr von USD 70,- erhält man ein Visum on Arrival an den Landesgrenzen sowie am Flughafen von Bagdad. Das Visum hat eine Gültigkeit von zwei Monaten. Auch bei Einreise aus der Türkei erhält man ein Visum an der Grenze, allerdings ist dieses ausschließlich für die Kurdische Region gedacht. Derzeit muss man sein Fahrzeug in Erbil abstellen, nach Bagdad fliegen und erhält erst dort am Flughafen das Visum für den gesamten Irak. Danach muss man mit dem Taxi oder Bus die 400 Kilometer wieder zurück nach Erbil fahren. Sehr nervig, aber momentan die einzige Möglichkeit, um seine Reise in den Süden und in den Irak weiter fortzusetzen.

Viele Overlander verbrachten, vom Norden her kommend, den letzten Winter auf der Arabischen Halbinsel. Sie sind im Herbst 2022 gerade noch so durch den Iran „geschlüpft“. Ich bin gespannt, wie Overlander in der kommenden Wintersaison den mittleren Osten erreichen werden, sofern sich die Lage im Iran nicht verbessert. Gerade werden kaum Visa für den Iran genehmigt und dieser Weg ist auch auf nicht absehbare Zeit keine sichere Alternative. Syrien wird wohl ebenfalls noch länger unpassierbar bleiben und nach Israel verschiffen, wollen wohl auch die wenigsten. Davon „profitiert“ aber jetzt der Irak, da ein Transit durch das Land derzeit die einzige Möglichkeit ist, den Orient auf dem Landweg zu verlassen. Aus den gerade genannten Gründen und auch wie in unserem Jordanien Bericht erwähnt, ist, in der momentanen Lage, die Strecke durch den Irak für uns die sinnvollste Lösung. Am Flughafen in Amman trennten sich unsere Wege: Micha ging auf Heimaturlaub und ich machte mich auf in den Irak.

Durch den Irak

Die Ausreise aus Jordanien war in 30 Minuten erledigt. Zu zahlen waren 10,- JOD pro Person und 25,- JOD für das Auto als Ausreisegebühren. Die Einreise in den Irak dauerte mit 3,5 Stunden deutlich länger. Der Grund hierfür waren die langen Wege, das Erstellen von Kopien, eine allgemeine Zettelwirtschaft und einige Dokumente, die in der richtigen Reihenfolge beantragt und besorgt werden mussten. Die Gebäude waren bis zu 300 Meter voneinander entfernt und ich musste diese Strecke einige Male zurücklegen. Zum Schluss war es vollbracht. Gegen 100,- USD hatte ich mein vollständiges Manifest an Fahrzeugdokumenten für meine Reise durch den Irak beisammen. Dieses beinhaltete diverse Kopien, Zolldokumente, Kfz-Versicherung für 20,- USD, Straßengebühren für 10.- USD und eine Kopie meines Visums, das ebenfalls nochmal 70,- USD gekostet hat. Es war mittlerweile 17:00 Uhr und ab 18:00 Uhr sind die ersten 200 Kilometer der Strecke nachts aus Sicherheitsgründen gesperrt. Daher entschloss ich mich, die Nacht an der Grenze zu verbringen.

Am nächsten Tag ging es los. Um 8 Uhr öffnete die Straße und ich fuhr aus der Grenzregion. Nach nur fünf Kilometern wartete bereit der erste Checkpoint auf mich. Ich musste warten. Eine Wohnmobil Reisegruppe aus Deutschland hatte mich eingeholt und wir wurden gemeinsam bis nach Ramadi eskortiert; alleine durfte ich nicht fahren. Für die 440 Kilometer bis dorthin benötigten wir 14 Stunden. Es gab 15 Checkpoints zu überwinden und einen regen Wechsel verschiedener Eskorten. Meist waren es gepanzerte Humvees mit einem riesigen Maschinengewehr auf dem Dach. In Ramadi endlich angekommen, blieben wir die Nacht, direkt am Ufer des Tigris, vor einer Polizeistation.

 

Glücklicherweise durfte ich am folgenden Tag alleine weiterfahren. Von anderen Reisenden erfuhr ich, dass sie sogar noch weitere 50 Kilometer bis nach Falludscha eskortiert worden sind. Kurz vor Bagdad ging es für mich noch ein Stück zurück in den Süden, nach Karbala. Nach Maschhad im Iran ist das Mausoleum vom Imam Husain in Karbala die wichtigste Pilgerstätte für schiitisch gläubige Muslime. Al Husain ibn Ali ist der dritte Imam der Schiiten und zweiter Enkel des islamischen Propheten Mohammed. Westliche Touristen sind dort nicht bekannt, also wurde ich auch nicht gefragt, ob ich Moslem sei und konnte so ungestört in die heilige Stätte hinein. Fotografieren ist dort nicht erlaubt und da ich ohnehin schon auffiel wie ein bunter Hund, wollte ich auch nicht provozieren. Darum gibt es keine Fotos von der bunt geschmückten Moschee. Trotzdem war es wieder einmal phänomenal, den festen Glauben der Muslime hautnah zu erleben. Es ist wahnsinnig ergreifen, wenn eine 20 Mann starke Gruppe einen Sarg in die Moschee schultert und neben einem das laute Beten beginnt.

Nur 200 Meter entfernt steht die Al Abbas Moschee über dem Grabstein von Abbas ibn Ali, einem schiitischen Märtyrer. Sie besuchte ich ebenfalls. Jetzt muss ich eines Tages nur noch nach Mekka, dann wäre ich bei den wichtigsten fünf muslimischen Pilgerstätten gewesen.

Auf dem Weg zurück nach Bagdad liegt Babylon. In der Mittaghitze war ich mal wieder der Einzige, der durch Babylon und die hängenden Gärten der Semiramis, eines der sieben Weltwunder der Antike, ging. Von den einst blühenden Gärten direkt am Euphrat, ist nichts mehr bis auf die Grundmauern, zu sehen. Vielleicht wird dies eines Tages wieder aufgebaut. Angrenzend an Babylon befindet sich einer der vielen Palästen von Saddam Hussein. Ich durfte mit dem Auto direkt hoch zum Eingang fahren und das verlassene, vom Vandalismus gezeichnete Haus anschauen. Vieles war natürlich zerstört, da die Einwohner nach dem Sturz Saddams verständlicherweise hier ihre ganze Wut ausgelassen haben. Manchmal hat man mit dem Touristenbonus Glück. Der hiesige Sicherheitsmann sperrte mir eine Tür auf, um in die oberen Stockwerke zu gelangen. Bis jetzt kenne ich noch keinen Reisenden, der auch in den oberen Etagen war. Mit dem letzten Tageslicht erreichte ich Bagdad und übernachtete auf dem Parkplatz einer Eventlocation mit super leckerer Pizza.

Der Ort Samarra ist nur anderthalb Stunden von Bagdad entfernt und bekannt für sein gleichnamiges Minarett, das sogar auf dem 250 Dinar Schein abgebildet ist. Wegen Renovierungsarbeiten ist die 52 Meter hohe Malwiyya leider gesperrt. Die Spitze ist instabil. Sie wurde 2005 während des Krieges bombardiert, da die Amerikaner das Minarett als Aussichtspunkt nutzten. Die bereits im 13. Jahrhundert zerstörte Freitagsmoschee muss ebenfalls gigantisch gewesen sein. Zu sehen sind nur noch die Grundmauern mit einem Grundriss von 240 x 160 Metern.

 

Etwa 15 Kilometer weiter traf ich auf die ehemalige Moschee und Festungsanlage aus der Dynastie der Abbasiden. Die Grundmauern wurden alle renoviert. Im Inneren sieht man leider nicht mehr sehr viel.

Der Weg führte mich weiter nach Mossul, durch Gegenden mit vielen zerstörten Häusern. Auf dieser Strecke nahm ich das Ausmaß des Krieges am meisten wahr. In Mossul selbst, einer Metropole doppelt so groß wie München, ist vieles wieder aufgebaut. Zerstörte Häuser sah ich auf meiner Route durch die Stadt kaum. Nach Mossul gab es den letzten Militärcheckpoint, bevor es nach Kurdistan ging. In Kurdistan fährt man durch Städte, die westlicher nicht sein könnten. Riesige Shopping Malls mit Carrefour Supermarkt und McDonalds. Die Nacht verbrachte ich dann an einem Stausee.

Die Ausreise

aus dem Irak dauerte ähnlich lang wie die Einreise. Die irakische Seite ging schnell. Pass wurde gestempelt und ein Häuschen weiter musste ich 38.000,- Dinar Ausreisegebühr entrichten. Gleichzeitig wurde mein Carnet RICHTIG gestempelt und eine Quittung ausgestellt. Das war es auch schon. Der Landy wurde noch nicht einmal angeschaut.

Auf der Grenzbrücke im Niemandsland wartet dann das typisch türkische Grenzchaos und es gab Blockabfertigung. Angeblich gibt es viele Schmuggler auf der Brücke, die Zigaretten unter Fahrzeugen verstecken sollen. Das kann ich jedoch nicht bestätigen. Sichtbar über die Grenze schmuggeln Leute aber bergeweise Zigaretten in Plastiktüten. Ob das aber vielleicht legal ist, kann ich nicht beurteilen. Nach etwa drei Stunden war ich an der Reihe. Pass wurde gestempelt und das Fahrzeug kurz begutachtet. Alle anderen Fahrzeuge mussten das vollständige Gepäck aus dem Auto räumen und dann noch die Motorhaube öffnen. Ich durfte ziemlich schnell zum nächsten Schalter fahren und dort sagte man mir, dass jeder eine Passagierliste benötigen würde, die man kaufen oder im Internet runterladen und ausdrucken kann. Dies war mir im Vorfeld schon bewusst und ich stellte mich doof und sagte: „Hab ich nicht, ich reise alleine“. Also durfte ich kurzer Hand in einer Minute meine eigene Passagierliste schreiben und zwar auf der Rückseite der grünen Versicherungskarte. Die Liste beinhaltete nur meinen Namen, Passnummer, Fahrgestellnummer und Fahrzeugkennzeichen (Dinge, die man als Overlander auswendig kennt). Insgesamt dauerte der Grenzübertritt in die Türkei fast vier Stunden. Da hatte ich noch richtig Glück gehabt und liege im Mittelfeld. Von anderen Reisenden hört man, dass es gerne mal zwischen zwei und zehn Stunden dauern kann.

Fazit

Ist der Irak schon ein Reiseland? Also, der Irak ist definitiv kein Land, um Urlaub zu machen. Eine Reise ist er aber definitiv wert, genauso wie die Autonome Region Kurdistan. Um Sehenswürdigkeiten zu besuchen, braucht man viel Geduld und muss zum Teil beim Militär Genehmigungen einholen. Städte und Orte sind eingezäunt und mit einem Erdwall umringt. Die Zufahrt kann nur über Checkpoints erfolgen.

Kann man es moralisch vertreten, durch den Irak zu fahren? Gerade im Hinblick auf die Eskorten? Hierbei greift man quasi auf die militärischen Ressourcen des Landes zurück, die wahrscheinlich etwas Besseres zu tun hätten, als auf Touristen aufzupassen. Das Militär möchte einen begleiten, auch wenn man sich auf den Kopf stellt und ohne Eskorte fahren möchte. Die Eskorten wechseln von Check Point zu Check Point, etwa alle 40 Kilometer, je nach Zuständigkeitsbereich. Das heißt, ein gepanzertes Fahrzeug mit drei Mann ist maximal 90 Minuten von seiner Division entfernt. Dazu sind die Männer auch froh, ein wenig Abwechslung in ihrem Arbeitsalltag zu haben und man merkt, dass sie es gerne machen. Desweitern teilen sie ihre Erfahrungen und ihr Wissen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich dem Militär und dem Land eine Last bin.



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