17.01.2023 von Meiky
Moment mal, müsste nicht erst ein Saudi-Arabien Bericht folgen? Nein, denn zwischen den VAE und Katar befinden sich nur etwa 140 Kilometer Autobahn durch das Königreich Saudi-Arabien (KSA), die nicht näher beschrieben werden müssen.
Es war 15:00 Uhr am 31.12.2022. Wir standen etwa vier Kilometer vor der Grenze zu Katar. Die nähere Umgebung des Grenzortes Salwa in Saudi-Arabien sah allerdings nicht sehr einladen aus, was eine Übernachtung betrifft, und so entschlossen wir uns, die Grenze noch am Nachmittag in Angriff zu nehmen. Eigentlich sind wir keine Fans von „späten“ Grenzübertritten. Im Regelfall machen wir uns ausschließlich vormittags auf zu einem Grenzübertritt, um den ganzen Tag Zeit dafür zu haben. Allgemein sind Grenzübertritte hier aber deutlich einfacher.
„One Stop Border“
Beim Verlassen von Saudi mussten wir nur einmal am Drive-In Zollhäuschen stehen bleiben und schon war die Ausreise amtlich im Pass. Bei der Einreise in Katar erhielten wir ein Visum on Arrival von 90 Tagen. Das Ganze war innerhalb von zwei Minuten erledigt. Beim Zoll habe ich jedoch für ein wenig Chaos gesorgt. Man fragte uns nach einem „Trip Trek“ oder so ähnlich. Ich meinte – „Nee, noch nie gehört. Wir reisen mit Carnet de Passage“ und schaute in verdutzte Gesichter. Nach einigem Hin und Her, wie man denn nun unsere Einreise mit unserem Fahrzeug gestalten könnte, kam ich dann doch auf die Idee, das Carnet zu zeigen. Die Augen der Zöllner wurden größer, alle freuten sich und sagten „Da ist es doch, das Trip Trek“. Super, Problem gelöst. Der Stempel knallte sodann ins Carnet, noch schnell eine Autoversicherung für acht Tage gekauft und los ging’s.
Wir fuhren etwa 30 Kilometer zum nächsten Strand und suchten uns ein schönes, ruhiges Plätzchen für Silvester, und gingen früh zu Bett. Wir hatten uns bewusst dafür entschieden, nicht der besten Silvesterparty in den Emiraten nachzujagen. Ja, so haben wir das neue Jahr verschlafen, na und…? Es macht uns nichts aus. Für uns ist jeder Tag den wir unterwegs sein können ein Fest, da spielen Weihnachten, Geburtstage und Silvester eine untergeordnete Rolle.
Wer den mittleren Osten ausgiebig bereist, muss nicht zwingend nach Katar. Für uns stellte der Besuch des kleinen Königreiches aber keinen Umweg dar, und wenn man schon mal da ist, schaut man es sich an. Gut ausgeschlafen ging es morgens in Richtung einer verlassenen Filmstadt. Auf dem Weg dorthin kreuzen wir eine schöne Kalksteinlandschaft und eine Wüste mit vier 14 Meter hohen Stahl Monolithen. Das East-West/West-East Monument vom Künstler Richard Serra. Es wurde entlang der Ost West Achse aufgestellt Der Stahl stammt aus Deutschland, angeblich wegen der schönen Musterungen und Schattierungen. Allerdings kann man jetzt, bei der rostigen Oberfläche, keine Schattierungen mehr erkennen. Aber man fühlt sich ein bisschen wie bei „Odyssse im Weltall“ von Stanley Kubrick.
Die verlassene Filmstadt befindet sich auf einer Halbinsel, die allerdings komplett eingezäunt war. Am Tor teilte man uns mit: „It´s closed, construction site“. Schade, aber da kann man nichts machen. Im Laufe der Woche sahen wir es noch häufiger, dass derzeit vieles im Bau oder in Renovierung ist. Der Tourismus in Katar profitierte nicht nur von der Fußball WM 2022, sondern auch von der Tatsache, dass Saudi-Arabien die Einreise für Touristen im Herbst 2019 deutlich erleichtert hat. Man merkt aber deutlich, dass der Tourismus hier noch am Anfang steht. Archäologische Stätten werden erst jetzt langsam zugänglich. Die Renovierungsarbeiten sind vielerorts noch nicht ganz abgeschlossen. Viele Katari sprechen nur rudimentäres bis überhaupt kein Englisch. Da merkt man deutlich, dass die Emirate bereits gute 25 Jahre Vorsprung haben.
Katar ist relativ klein und erstreckt sich über 180 Kilometer von Süd nach Nord sowie 80 Kilometer von West nach Ost. 90 % der 2,7 Millionen Einwohner sind Arbeitsmigranten. Eine mögliche Fragwürdigkeit Katars als Reiseziel wurde nicht nur im Zuge der WM ausgiebig diskutiert, darum gehen wir an dieser Stelle nicht darauf ein
Die wichtigste Einnahmequelle Katars war seit 3000 v.Chr. der Perlenhandel. Dieser brach durch japanische Zuchtperlen 1930 zusammen, und die Einwohner verloren ihre Existenzgrundlage. Mit dem ersten Öl versuchte man die Verluste wieder auszugleichen und 30 Jahre später katapultierte der Ölboom das Land aus dem Mittelalter in die Neuzeit.
Für uns ging es nach dem East-West Monument ebenfalls weiter zu einer ehemaligen Perlentaucherstadt, Al Juwall, die ihre Blütezeiten vor dem
Wirtschafsboom hatte. Sie liegt am Nordende der Halbinsel und ist mittlerweile verlassen. Auf dem Weg dorthin sahen wir Falkner beim Trainieren ihrer Tiere und wir durften dem Spektakel beiwohnen
und die tollen Vögel halten
Natürlich besuchten wir auch die Hauptstadt Doha. Wir empfanden Doha als etwas schräg. Es gab - wie in Dubai auch - eine bewohnte, künstliche Insel. Diese hat hier allerdings nicht die Form einer Palme, sondern einer Perle und heißt darum auch so: „The Pearl“. Auf eben dieser Insel gibt es ein Viertel mit kleinen Kanälen und italienisch anmutenden Häusern. Das sogenannte Qanat Quartier soll offenbar Venedig darstellen. Für uns hatte es den Anschein, dass die Katari Venedig oder vielleicht auch Italien sehr gerne mögen, denn auch in der Villagio Mall gibt es einen 100 meterlangen Kanal samt italienischer „Baukunst“ unter künstlichem Wolkenhimmel á la „The Venetian“ in Las Vegas zu bewundern. Nicht zu vergessen, die elektrischen Gondeln, die, wie auch im Qanat Quartier, Touristen durch den Kanal schippern.
Am anderen Ende von Doha trifft man auf die „Altstadt“, mit einigen Souks. Dort findet man auch einem Falken Souk, der aber von Touristen kaum besucht wird. Hier kann man Falken und jedes erdenkliche Zubehör für seine Falken kaufen. Auch gibt es Geschäfte mit „Falcon Cookies“. Was für Europäer der Hund ist, ist hier scheinbar der Falke. So wird er auch täglich in der Wüste trainiert. Selbstverständlich gibt es im Souk auch ein Falkenkrankenhaus.
Neben der Großen Moschee besuchten wir auch das Museum der Islamischen Kunst. Es ist eines der Bedeutendsten auf der Arabischen Halbinsel. Nicht nur das Gebäude ist sehenswert, sondern es handelt sich auch um das größte Museum für islamische Kunstgeschichte.
Die Gastfreundschaft in Katar ist ein weiteres Mal phänomenal. Auch nach der WM freut man sich noch über Touristen, vor allem wenn sie individuell unterwegs sind. Man wird mit Geschenken, Einladungen und Hilfsbereitschaft überhäuft.
Scherbenregen und Falkenfestival
Auf dem Weg Richtung Süden erspähten wir einen Schrottplatz mit 20.000 Fahrzeugen. Hinein durften wir leider nicht. Wir waren zu spät daran. Die Öffnungszeiten sind von 09:00 bis 12:00 Uhr. Im letzten Ort vor der südlichen Wüste füllten wir unsere Wasservorräte an einer Moschee auf. Bei Moscheen gibt es nämlich immer gefiltertes Trinkwasser.
Kurz darauf, auf der Autobahn, gab es einen lauten Knall. Scherben regneten vom Dachhimmel auf uns herab. So ein Mist. Es hatte sich doch tatsächlich unser Dachträger verzogen und so auf unser Dachfenster gedrückt, dass dieses vollständig zerstört wurde. Also raus an der nächsten Tankstelle. Dachträger und beide Sitze ausbauen sowie den ganzen Ramsch aus der Mittelkonsole entfernen. So konnte das Auto gründlich gesaugt werden. Bis wieder alles an Ort und Stelle war und das Dach mit Klebeband und Pappkarton notdürftig abgedichtet war, vergingen gut und gerne zwei/drei Stunden und es war dann bereits dunkel. Schlafplatz suchen im Dunkeln: immer Kacke. Also fuhren wir nur 300 Meter von der Tanke weg und blieben in einiger Entfernung zur Autobahn irgendwo in der Wüste stehen. Aber unsere Panne führte uns auch zu etwas Gutem. Während wir rumstanden und warteten bis das Auto fertig gesaugt war, erzählte ein Katari Micha von einem Falken Festival in der Nähe. Das ist Kultur und Tradition für die Katari. Darum am nächsten Tag nichts wie hin. Vor dem Festivalgelände sahen wir die ersten Falken schon beim Training. Dabei wurde eine Taube aus dem Käfig geholt, geköpft und hinter ein ferngesteuertes Flugzeug gebunden. Das Flugzeug startete und ein paar Sekunden später wurde der Falke losgelassen und flog hinterher. Nach ein paar Runden über unseren Köpfen wurde das Flugzeug langsamer, so, dass der Falke die tote Taube erwischte und mit ihr zu Boden segelte. Dann war der nächste Falke dran. Soviel zum Training.
Beim Wettkampf auf dem Festival Gelände gab es ebenfalls Tauben. Diese wurden aber nicht getötet und somit lebendig aus dem Käfig in die Freiheit entlassen. Der Falke folgte mit kurzem Abstand. Überraschenderweise ähnelt der Flug der Greifvögel eher einem hektischen Flattern und der Abstand zur Taube wurde in den meisten Fällen immer größer. Etwa 30 Sekunden nach dem der Falke gestartet war, donnerten ihre Besitzer mit ihren Fahrzeugen hinterher. Raus aus dem Festivalgelände in die Wüste, um den Falken, der mit einem Peilgerät ausgestattet ist, zu folgen und ihn wieder einzufangen. Ist ja schließlich sehr wertvoll, das Tier. Nach wenigen Minuten Taubenjagd hatten die meisten Falken keine Lust mehr und es ging in atemberaubendem Tempo, also im Sturzflug, zum Herrchen zurück. Keiner der Falken, die wir beobachteten, erwischte auch nur annähernd die Taube. Gut für die Tauben, so waren sie wieder frei. Das Festival dauert übrigens den ganzen Monat Januar. Der Besucher kommt auch voll auf seine Kosten. Man sitzt in weißen Sesseln, wird mit Tee und Wasser versorgt, und sogar das Mittagessen ist umsonst.
Unsere letzte Station in Katar war das Inland Meer im Süden. Die weißen Sanddünen sollen auf eine blaugrün leuchtende Lagune stoßen, die durch einen Kanal mit dem Ozean verbunden ist. In der Realität sah dies etwas anders aus. Das lag am schlechten Wetter, das uns seit der Einreise begleitet. Viel Regen, viel Wind und ständig bewölkt.
Wir erkundeten trotzdem die Umgebung und blieben zwei Nächte. Am Tag der Ausreise weckte uns das schlechte Wetter mit heftigem Regen und starkem Wind. Die Täler zwischen den Sanddünen füllten sich bedrohlich mit Wasser. Wir entschlossen vorsichtshalber aus der Gegend zu fahren. Die Einzigen waren wir nicht. Ein Tross von etwa 12 einheimischen Fahrzeugen verließ fluchtartig die Wüste. Für uns ging es dann gleich Richtung Grenze.
So entspannt und schnell die Einreise gegangen war, so länger dauerte die Ausreise. Bei der „One Stop Border“ wusste niemand so genau was man mit uns anfangen sollte. Wir wurden erst zur Immigration geschickt. Dort wusste aber auch keiner weiter. Nach weiteren 30 Minuten wurden wir ins Büro des Oberen Diensthabenden verfrachtet und warteten dort erneut längere Zeit. Es stellte sich heraus, dass es Probleme mit der Ausfuhr des Fahrzeuges gab. Selbstverständlich winkte ich diesmal rechtzeitig mit dem Carnet und sagte: „Trip Trek“ (oder so ähnlich) und erklärte alles. Doch dieses Mal half es nicht. Wir mussten also warten. Es dauerte… und dauerte und darum ging ich irgendwann zur Küche, holte uns einen Tee und fing schon an, mich heimisch zu fühlen. Wir packten unsere Notebooks aus und begannen zu arbeiten. So langsam beschlich mich das Gefühl, dass an dem Gerücht man müsse € 1000,- Bußgeld bezahlen, wenn man mit einem ausländischen Fahrzeug (nicht GCC) einreist, was dran sein könnte. Auf der Website der Regierung von Katar war aber nichts zu finden. Bei der Einreise haben wir das natürlich auch erfragt, aber es wurde verneint. Nach einer weiteren Stunde war aber dann alles erledigt. Anscheinend wurde das Auto bei der Einreise vom Zoll nicht ins System eingetragen und war darum bei der Ausreise darin auch nicht zu finden. Wir erhielten unseren Stempel und reisten aus. Danke Katar, die Woche hat sich definitiv gelohnt und es war eine Reise wert.